Löschungen und Sperrungen auf

US-Internet-Plattformen zu Zeiten des NetzDG


Mancher wünscht sich Ähnliches zum Beispiel für die hiesigen Fast-Food-Ketten: Warum sollten nicht McDonalds und Burger King für den Einwegmüll verantwortlich gemacht werden, mit dem ihre Kunden sichtbar störend und umweltschädlich Feld, Wald und Flur verschandeln? Wenn das so wäre, dann würden diese Systemgastronomie-Ketten sofort mindestens ein drastisches Pfand auf ihre Verpackungen erheben, um noch drastischere Strafzahlungen im Falle von „Littering“ zu umgehen.


Die Kontrolle von geistigen Inhalten ist weit komplexer als die Vermeidung von Einwegmüll und Littering. Eigentlich würde sie viel „Hirnschmalz“ - menschliche Intelligenz - erfordern, weil es „künstliche Intelligenz“ im eigentlichen Sinne gar nicht gibt. Echte Intelligenz lebt davon, neue Muster erkennen zu können, vorhandene Zusammenhänge neu zu verknüpfen, assoziativ zu denken. Maschinen und Algorithmen werden zwar von intelligenten Menschen programmiert . Intelligenz erwächst hieraus aber nicht. Weil das so ist, verstehen Maschinen keinen Spaß und keinen Witz, sind bestenfalls so „intelligent“ wie ein Taliban – das Adjektiv „humorlos“ habe ich mir geschenkt, weil das in Zusammenhang mit den auf ihre mangelnde Bildung stolzen Menschen ein Pleonasmus wäre.

Dementsprechend scheitert jede Maschine am Verständnis von Satire, so sie nicht mit dem Holzhammer passender Emojis als solche gekennzeichnet ist. Eine „Alexa“ kann nun mal keinen richtigen Witz erzählen. Auch Schachtelsätze sind ganz sicher eine hohe Hürde für die maschinelle Inhaltsverarbeitung.

Nun erwartet man also von diesen Plattformen, dass sie einerseits rechtswidrige Inhalte identifizieren – und neuerdings sogar direkt an die Staatsanwaltschaft weiterleiten sollen, andererseits aber sind die Betreiber bemüht, möglichst große Profite mit ihren Portalen zu generieren. Personaleinsatz wäre da sehr kontraproduktiv, einfach viel zu teuer.

Also „erschlägt“ man das Problem der Filterung mit angeblich „intelligenten“ Algorithmen, die störende Inhalte automatisch erkennen sollen, und erstellt „Gemeinschaftsrichtlinien“, die weit über gesetzliche Einschränkungen hinausgehen und die zum Teil durchaus noch enger ausgelegt werden, als aus ihrer Niederschrift hervor geht, denn Maschinen können eben mit Nebensätzen und näheren Beschreibungen häufig wenig anfangen, weil sie logisch einfach zu komplex sind.

Youtube schreibt zum Beispiel in seinen „Richtlinien“, dass „Darstellungen von … Gesäßen … zum Zwecke der sexuellen Befriedigung“ gegen die Richtlinien verstießen. Faktisch verstößt aber jeder nackte Hintern (auch ohne sichtbare Geschlechtsteile) gegen die „Youtube-Richtlinien zu Nacktheit und pornografischen Inhalten“.

Im Jahr 2021 gab es bei Youtube Deutschland nur knapp zweitausend (1.975) Sperrungen wegen gesetzlicher Verstöße aufgrund des NetzDG – aber rund fünfundachtzigtausend (84.603) Sperrungen wegen angeblicher Verstöße gegen die Community-Richtlinien! Sperrungen wegen angeblicher Verstöße gegen Nutzungsbedingungen waren also mehr als vierzigmal(!) häufiger als wegen Gesetzesverstößen! Die Krux dabei: Während es mittlerweile bei mutmaßlichen Verstößen gegen das NetzDG offizielle Schieds- und Beschwerdestellen gibt, die dem Nutzer die Möglichkeit geben, falsche Verdächtigungen auszuräumen, ist der Nutzer bei angeblichen Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen, die das Gros der Sperrungen verursachen, der Gnade des allzu knapp bemessenen, schlecht bezahlten, arbeitsmäßig überforderten und häufig dummen Beschwerdemanagements ausgeliefert. Übergeordnete Schlichtungsstellen für angebliche Verstöße gegen Nutzungsbedingungen sind nicht vorgesehen.



Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht.

Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht (Bertolt Brecht)


Naturgemäß erfasst Google in seinem Transparenzbericht nicht, wie hoch der Anteil der falschpositiven Verstöße gegen die Youtube-Nutzungsbedingungen ist. Eine Quote von neunzig Prozent scheint bei diesen sehr beschränkten Möglichkeiten für die Nutzer aber nicht völlig abwegig. Nur wenn der Nutzer im Focus des öffentlichen Interesses steht, hat er die Chance, eine Aufhebung einer Sperrung oder Löschung eines Beitrags oder Accounts aufgrund vermeintlicher Verstöße gegen die „Gemeinschaftsrichtlinien“ wieder zu erzwingen.

Formal gibt es seit einigen Monaten ein BGH-Urteil, nach dem die Plattformbetreiber ihre Nutzer nach angeblichen Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen vor der Sperrung oder Löschung anhören müssen. Dieses Recht muss er jedoch aktuell stets vor Gericht durchsetzen, weil Youtube deutsche Gesetze eben nicht anerkennt. Die Behauptung „Wir halten uns an deutsche und andere lokale Gesetze“ im „Google-Transparenzbericht“ ist eine dreiste Lüge! Google verstößt „schwerwiegend“ und noch dazu „vorsätzlich“ gegen geltendes deutsches Recht ( https://meedia.de/2022/01/12/youtube-muss-kanal-von-achse-des-guten-wieder-freischalten/) . Wer da nicht wenigstens rechtsschutzversichert ist oder über hinreichendes „Kleingeld“ verfügt, steht auf verlorenem Posten.